Die Rose von Jericho

Prolog

Die Rose von Jericho
Draußen klirrt gläserner regen
auf den erdenrand.
An mein fenster
hat jemand, der niemand ist,
"Sehnsucht" geschrieben,
mit harten tränen,
lang angesparten, aus verzicht.

Dionysos! Ist sonst nichts zu hören?
Apollon! Ist sonst nichts zu sehen?
Es muss etwas gescheh'n! Lasst es gescheh'n!
O! Etwas geschieht immer noch!
Schon lange singt die herzmuschel mir
in meinen nackten träumen.
Blieb ich denn stumm?

Träumte mir nicht, es sei wahr,
dass einer durch die wüste geht? -
einer, der im dornbusch sieht,
der die höllen der welt durchschreitet...
War ich's nicht selbst, derweilen ich wachte?
Und in der ferne Ahazver...
War ich's nicht selbst, derweil' ich noch im traume lag?

Die hirtenlieder sind verklungen,
im Ich, im Du, im Es -
Umarmung des Schönen in jedem, das ist!
Ach, träumte uns jemand zusammen,
dann fühlten wir uns wieder!
Die tage sind grau, die tage sind kalt
und Fata Morganen auch hier!

Durch die wüste rollen braune geflechte,
filigranes, lufties stroh:
zusammengeflochtene herzen,
vom wind getrieben und wurzellos
in dieser welt,
in dieser dürre gewachsen:
der erde so nah, der erde so fern.

O, über die Rose von Jericho!
So lange dürstet sie schon,
dürstet nach Wasser des Lebens.
Wie brennt die hitze am tag,
wie beisst die kälte nachts!
Und brennen unsere herzen? - nicht?
Und schaudern wir vor kälte? - nicht?

Es zeugen die lieder von jener zeit -
und sind es nur lieder, so ist es doch wahr -
dass Maria durch die lande ging,
durch dornenwald und wüstenei,
und flutender regen fiel hernieder... -
Da sind die rosen entsprungen,
wohl zu der halben nacht...